Die Hantzsch-Widman-Patterson-Nomenklatur ist eines von zwei Systemen zur Benennung von Heterocyclen, wenn sich kein Trivialname für die zu benennende Struktur etabliert hat. Nach dem Hantzsch-Widman-Patterson-System werden drei- bis zehngliedrige Heterocyclen benannt.
Der Name eines Heterocyclus baut sich bei Verwendung der Hantzsch-Widman-Patterson-Nomenklatur aus dem a-Term-Präfix – für das Heteroatom – und einem Suffix zusammen, der die Ringgröße und den Sättigungsgrad beschreibt. Wenn der Suffix mit einem Vokal beginnt, entfällt das namensgebende a des a-Term-Präfices.
Jedes Element besitzt seinen eigenen Präfix. Sind in einem Heterocyclus mehrere verschiedene Heteroatome enthalten, erfolgt eine Priorisierung der Präfices entsprechend der Stellung im Periodensystem.
Die a-Term-Präficies und die Reihenfolge der wichtiger Elemente sind in der untenstehenden Tabelle angegeben.
Eine vollständige Liste aller Präfices inklusive der Prioritäten können über den untenstehenden Button im scheLM PSE erreicht werden.
Die Nachsilbe wird nach folgenden Kriterien ausgewählt: Ringgröße und Sättigungsgrad. Außerdem gibt es besondere Regelungen für die Benennung kleiner N-haltiger Heterocyclen sowie sechsgliedriger Heterocyclen. Partiell ungesättigte Ringsysteme werden wie vollständig ungesättigte Heterocyclen benannt und erhalten bspw. die Vorsilbe Dihydro-.
Die nachfolgende Tabelle fasst die Suffices zusammen.
* als „ungesättigt“ bezeichnet man ein System, in dem es maximal so viele Doppelbindungen gibt, dass keine kumulierten Doppelbindungen enstehen
Die folgenden Beispiele sollen die Bennenung von Heterocyclen mithilfe der Hantzsch-Widman-Patterson verdeutlichen.
Es handelt sich um einen ungesättigten Dreiring mit einem Sauerstoffatom:
Oxiren. Oxiren ist formal antiaromatisch und besitzt eine hohe
Baeyer-Ringspannung.
Daher sind Oxirene bei Raumtemperatur nicht stabil.
Ein gesättigter Dreiring mit einem Stickstoffatom ist als Aziridin bekannt.
Nebenstehend ist ein N-haltiger ungesättigter Dreiring mit einem Stickstoffatom
dargestellt: Azirin. Das abgebildete 1H-Azirin ist instabil und isomerisiert
umgehend zum 2H-Azirin, welches immernoch äußerst reaktiv ist.
Der fünfgliedrige Heterocyclus mit der maximalen Anzahl an nicht-kummulierten
Doppelbindungen besitzt ein Schwefel- und ein Stickstoffatom. Er kann systematisch
als 1,3-Thiazol bezeichnet werden; als Trivialname hat sich nur
Thiazol
etabliert.
Der nebenstehende Heterocyclus besitzt sowohl zwei Stickstoffatome sowie ein Sauerstoff-
und ein Schwefelatom; geordnet nach ihrer Priorität (O > S > N) ergibt sich als Präfix:
„Oxathiadiaza-“. Es handelt sich weiter um einen partiell ungesättigten
siebengliedrigen Ring, sodass als Suffix „-epin“ gewählt wird.
Werden die ringbildenden Atome nun so durchnummeriert, dass mit dem Atom höchster
Priorität begonnen wird und alle weiteren Heteroatome möglichst kleine Nummern
erhalten, ergibt sich der vollständige Name zu
„7H-1,6,3,4-Oxathiadiazepin“.
Der Name von anellierten Systemen setzt sich aus den Bezeichnungen der einzelnen Heterocyclen sowie deren Verknüpfung zusammen.
Er wird von hinten nach vorne konstruiert.
Das Modul scheLM s2n widmet sich ausführlich der Nomenklatur anellierter Heterocyclen.
Die beiden folgenden einfachen Beispiele sollen zum Verständnis der Nomenklatur anellierter Systeme mittels der Hantzsch-Widman-Patterson-Nomenklatur beitragen.
Das nebenstehende bicyclische System lässt sich von Pyrazin und Pyridazin ableiten.
Die Ermittlung des Stamms erfolgt nach Kriterium i, da alle vorangegangene
Kriterien sowohl auf Pyrazin als auch auf Pyridazin zutreffen: in Pyridazin
tragen die Heteroatome vor der Fusion die niedrigsten Nummern.
Der Stamm ist mit Bindung d an die Atome 2 und 3 des Pyrazins anelliert.
Der gezeigte Heterocyclus wird als „Pyrazino[2,3-d]pyridazin“
bezeichnet.
Das nebenstehende Fusionsprodukt von 1,3-Dioxol und Imidazol ist ein bicyclischer
Heterocyclus.
Der Stamm ergibt sich nach Kriterium b, da nur einer der beiden Heterocyclen N-haltig
ist: Imidazol.
Imidazol ist mit Bindung d an die Atome 4 und 5 von 1,3-Dioxol anelliert.
Zur Ermittlung der Kranzbezifferung wird das Molekül horizontal ausgerichtet;
es kann sowohl ein Stickstoff- als auch ein Sauerstoffatom oben rechts zum
Liegen kommt. Da die Priorität von Sauerstoff größer als jene von Stickstoff ist,
bekommt Sauerstoff die niedrigere Ziffer zugeteilt.
Das dargestellte Molekül ist an Position 4 gesättigt.
Als Name ergibt sich folglich „4H-1,3-Dioxolo[4,5-d]imidazol“.